Alfred Döblin

Wintersemester 2018/19

Bei kaum einem Schriftsteller ist die Diskrepanz zwischen der Fülle und Spannbreite seiner Produktionen, Interventionen und Konversionen sowie der notorischen Beschränkung seiner Rezeption auf ein einziges Werk – hier den Roman „Berlin Alexanderplatz“ von 1929 – größer als bei Alfred Döblin. Mit der grotesken Konsequenz, dass der junge Hölderlin- und Nietzsche-Schwärmer, promovierte und praktizierende Psychiater und Internist, Pionier des Expressionismus, gewichtige Beiträger zu dessen Zentralorgan „Der Sturm“, Künder und Kritiker des Futurismus in Deutschland, frühe Propagator des „Kinostils“ in der Literatur, erklärte Sozialist und politische Pamphletist, Mitstreiter der „Gruppe 25“ (neben Kurt Tucholsky, Joseph Roth, Robert Musil und Ernst Toller), Autor von Dramen, Erzählungen und vor allem zahlreichen Romanen über Sujets aus allen Erdteilen von der Vorzeit bis zur Gegenwart, „uneheliche Vater“ von Bertolt Brecht, „Lehrer“ von Günter Grass, schwer geprüfte Exilant, prominenteste Beiträger des jungen Südwestrundfunks, erste Vorsitzende der Literaturklasse der Mainzer Akademie und spätberufene Katholik Döblin heute wie ein One-Hit-Wonder aus dem mythischen Zwischenkriegsberlin erscheint.
Aber so notwendig es wäre, den verengten Blick auf Döblins Gesamtwerk auszuweiten, so unvermeidlich würde ein chronologischer Werkdurchgang jeden Seminarrahmen sprengen. Realistischer erscheint es daher, zunächst doch von „Berlin Alexanderplatz“ (inkl. Hörspiel-, Film- und TV-Adaptionen) auszugehen und von dort aus schlaglichtartig dessen Voraussetzungen wie dessen Folgen – jeweils bei Döblin selbst und generell – zu erschließen.