Das Volksstück

Wintersemester 2013/14

Was ist ein Volksstück? Wie bei allen Gattungsbezeichnungen, die auf Personengruppen rekurrieren (z.B. Arbeiter-, Frauen-, Gelehrten-, Jugend- oder Landserliteratur), wirft das unklare Kompositum auch hier knifflige Fragen auf: Soll es vom Volk geschrieben sein? Vom Volk aufgeführt werden? Vom ihm handeln? Seine Weltsicht spiegeln? Es erreichen? Oder alles zugleich? Vor allem aber: Wer ist denn überhaupt „das Volk“? Eine bestimmte Klasse? Nation? Regionalpopulation? Die „einfachen Leute“? Aber wer ist schon einfach? Und muss „das Volk“, um Volk zu sein, notwendig Dialekt sprechen?
Doch so fragwürdig die Definition, so fraglos bildet das Volksstück seit dem 18. Jahrhundert eine lebendige Theatertradition, die zwar allenthalben zum Klischee zu erstarren, ins Völkische auszuarten oder mangels Nachwuchs abzusterben droht, sich aber bislang immer wieder reformieren oder neu erfinden konnte. Das Seminar beleuchtet diese Entwicklung an Beispielen primär aus dem süddeutschen Raum und fragt nach deren Form, Gehalt und Wirkung.
Auf dem Programm u.a.: Johann Nestroy: „Der Talisman“ / Ludwig Anzengruber: „Das vierte Gebot“ / Karl Schönherr: „Der Weibsteufel“ / Marieluise Fleißer: „Pioniere in Ingolstadt“ / Bertolt Brecht: „Herr Puntilla und sein Knecht Matti“ / Ödon von Horvath: „Geschichten aus dem Wiener Wald“ / Martin Sperr: „Jadgszenen aus Niederbayern“ / Franz Xaver Kroetz: „Stallerhof“ / die österreichische Fernsehserie „Ein echter Wiener geht nicht unter“ sowie die Film/Buch/Hörspiel-Konstellation von Gerhard Polt/Hans-Christian Müller: „Kehraus“.