Die Apokalypse in der Literatur

Wintersemester 2013/14

„Es eröffnet sich zu dieser unserer Zeit (von welcher man glaubt, daß es die letzte seye) [...]“ – der berühmte Halbsatz mit dem finalen Klammereinschub, der vor dreieinhalb Jahrhunderten Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausens „Simplicissimus“ eröffnete, wirkt angesichts der immer aussichtsloseren Zukunftsprognosen für die Menschheit und ihren Planeten einerseits so aktuell wie nie. Andererseits lässt die Apokalypse, wie sie in der „Offenbarung des Johannes“ für das christliche Abendland kanonisch (wenn auch weder erstmals noch je unumstritten) angekündigt und markerschütternd ausgemalt wurde, nun schon seit ungefähr zweitausend Jahren auf sich warten. Lang genug, um eine blühende Tradition von Untergangsdiskursen und -visionen auszubilden: phantastisch oder realistisch, schrill oder lakonisch, mahnend oder fatalistisch, angstvoll, grimmig, traurig oder schadenfroh, mit oder ohne Hoffnung.
Ziel des Seminars ist es, die Vorstellungswelt der Apokalyptik, die sich in der Kulturhistorie über alle Gattungen und Medien erstreckt, am Strang der deutschsprachigen Literaturgeschichte bis in die Gegenwart und mit Blick auf diese zu verfolgen. Gesetzt sind neben dem biblischen Ausgangspunkt: das „Muspilli“, Jean Pauls „Rede des toten Christus vom Weltgebäude herab...“ (im Roman „Siebenkäs“); Alfred Kubins „Die andere Seite“; eine Auswahl expressionistischer Gedichte (u.a. Heym, van Hoddis, Stadler); das Finale von Karl Kraus‘ „Die letzten Tage der Menschheit“ sowie Carl Orffs „De temporum fine comoedia / Das Spiel vom Ende der Zeiten“. Die endgültige Auswahl findet in der ersten Sitzung statt.