Egon Erwin Kisch

Wintersemester 2015/6

„Der rasende Reporter“ – die einprägsame Alliteration im Titel von Egon Erwin Kischs bekanntester Reportagensammlung (erstmals 1925) wurde nicht nur zum Synonym für deren Autor, sondern zum Inbegriff moderner investigativer Wirklichkeitserfahrung und -vermittlung überhaupt. Und wirklich lassen sich die Möglichkeiten und Grenzen journalistischer Welterkundung im 20. Jahrhundert wohl an keinem anderen Werk und Lebenslauf so eindrücklich studieren. Nirgendwo sonst offenbart sich die Dialektik von Wahrheit und Wirkung als Spannungsfeld von nüchterner Recherche und tatsachengeleiteter Berichterstattung einerseits sowie menschlicher oder politischer Parteilichkeit, dichterischen Lizenzen und/oder Selbststilisierung andererseits so spektakulär wie bei dem Mann, der vom Prag Jaroslav Hašeks und Franz Kafkas aus zu allen Kontinenten aufbrach und – wo man ihn, wie in Australien, nicht landen lassen wollte – zur Not einfach an Land sprang.
Im Zentrum des Seminars stehen ausgewählte Reportage-Klassiker von Kischs Anfängen als junger Lokalreporter bis zum mexikanischen Exil und den ersten Nachkriegsjahren in der Tschechoslowakei. Seitenblicke sollen auch auf seine Versuche in Lyrik, Drama und Roman fallen.