Ernst Toller

 

Sommersemester 2015

„Wenn das Joch der Barbarei drückt, muß man kämpfen und darf nicht schweigen. Wer in solcher Zeit schweigt, verrät seine menschliche Sendung.“ So beschließt Ernst Toller 1933 („Am Tag der Verbrennung meiner Bücher in Deutschland“) die Vorbemerkung zu seinem autobiographischen, schon im Exil erschienenen Bericht „Eine Jugend in Deutschland“. Exemplarisch für sein Werk und Leben sind diese Worte zugleich rhetorischer Appell und persönliches Bekenntnis, Dichtung und Wahrheit, Pose und Tat. Dieser Doppelcharakter ließ Toller zu Lebzeiten zum Messias eines humanen Sozialismus werden, zu einer Art Prä-Popstar der Revolution, eben dadurch aber auch zum Märtyrer und zur exponierten Zielscheibe für Hass und Häme von fast allen Seiten, ob von Konkurrenten im Kulturfeld, wendigen Realpolitikern, doktrinären Kommunisten oder der rechten Barbarei in Politik, Polizei und Publizistik. Seit seinem verzweifelten Freitod 1939 ist Toller zunehmend zum Mythos und zur Projektionsfläche für die Möglichkeiten und Grenzen engagierter Poesie überhaupt geworden, während seine ursprünglich so wirkmächtigen und kontroversen Texte zu Zeitdokumenten historisiert oder vergessen wurden. Mit dem Erscheinen der „Sämtlichen Werke“ eröffnet sich indes jüngst die Möglichkeit, den Dichter und Rhetoriker Toller leichter und umfassender als je zuvor in seiner Entwicklung zu verfolgen. Dementsprechend soll im Seminar eine Kombination aus einschlägigen Klassikern – konkret: die Dramen „Die Wandlung“ (1919), „Masse – Mensch“ (1921), „Der deutsche Hinkemann“ (1923) und „Hoppla, wir leben“ (1927), der Lyrikband „Das Schwalbenbuch“ (1924) sowie „Eine Jugend in Deutschland“ (1933) – und weniger bekannten, für Autor und Epoche aber ebenso vielsagenden Aufrufen, Interventionen und Dokumentationen behandelt werden.