G.E. Lessing: Nathan der Weise

 

Wintersemester 2012/13

Wo immer mit Religion Politik gemacht, also diesseitige Machtgier in jenseitige Privilegien und Verbote umgemünzt wird, entfaltet Gotthold Ephraim Lessings „Nathan der Weise“ (1779) im Zweifelsfall seine humane Sprengkraft – und zwar sowohl das „dramatische Gedicht“ selbst wie auch der Blick auf dessen Entstehungs- und Rezeptionsgeschichte. Ursprünglich verfasst, nachdem man Lessing verboten hatte, sich in der erbittert geführten Kontroverse um die offenbarungskritischen Fragmente des 1768 verstorbenen Gelehrten Hermann Samuel Reimarus, die Lessing ab 1774 anonym publiziert hatte, weiter öffentlich zu äußern, hatte der „Nathan“, der nebenbei den Blankvers als Standard deutscher Dramenklassik setzte, ein wechselvolles Weiterleben als zeitweise verfemter Bühnenklassiker, Schullektüre und nicht zuletzt als Gradmesser für die jeweilige Lage einer Gesellschaft und Epoche im Spannungsverhältnis von Dogmatik und Toleranz.
Ausgehend vom zugrundeliegenden Fragmentenstreit (auf Textbasis der Lessing-DKV-Ausgabe Bde. 8 und 9) untersucht das Seminar Form und Gehalt des „Nathan“ sowie dessen Geschichte in zentralen Aspekten und Stationen.