Literatur und Transhumanismus

Wintersemester 2015/16

Der Traum, das Menschliche zu überschreiten, ist so alt wie die Menschheit selbst. Blieben alle hominiden Vorstöße, sich zum Gott, Übermenschen oder Maschinenmenschen zu erheben, jedoch bis in die jüngere Vergangenheit nur Illusion oder groteske Inszenierung, soll die galoppierende computer-, nano- und biotechnische Entwicklung deren Realisierung jüngst – und diesmal wirklich – in greifbare Nähe rücken. Was dabei konkret angestrebt wird, schwankt zwischen Superintelligenz, Superfitness, Supermacht, Superreichtum, einem digitalen Self-Upload, ewigem Leben oder allem zusammen. Ebenso schwanken die Ansichten, wie und wann genau die transhumane Revolution stattfinden, wer von ihr profitieren und auf wessen Kosten sie geschehen wird. Sicher ist dagegen, dass die fanatischsten und finanzstärksten Ingenieursmächte der Welt derzeit auf transhumane Träume zuarbeiten und die Menschheit dadurch nachhaltig verändern werden, in welche gewollte oder ungewollte Richtung auch immer.
Ziel der Übung ist es, die Herausforderung des Transhumanismus in gemeinsamer Lektüre einiger, in der Regel selbst stark in der Tradition literarischer Utopien verwurzelter Schlüsseltexte (u.a. von Ray Kurzweil) programmatisch und historisch einzuordnen und erste Niederschläge in der Literatur zu registrieren, wobei man in Genre- und Randzonen (Science Fiction, Comic, Pop) eher fündig wird als im deutschen belletristischen Mainstream. Als klassischer Ausgangs- und Bezugspunkt empfiehlt sich nach wie vor Oswald Wieners Proto-Cyber-Utopie „appendix A: der bio-adapter“ in „die verbesserung von mitteleuropa. roman“ (1969), wo die Entwicklung visionär vorweggenommen und die Grundsatzfrage gültig aufgeworfen ist.