Siegfried Kracauer

Wintersemester 2014/15

Mit dem 2012 erfolgten Abschluss der ersten umfassenden Werkausgabe Siegfried Kracauers sind die editorischen Voraussetzungen, diesen Autor sowohl in seiner charakteristischen Spannbreite wie auch als Einheit zu entdecken, so gut wie nie zuvor. Dass er so vieles zugleich und gleichermaßen passioniert war – Filmtheoretiker, Journalist, Soziologe, Romancier, Essayist, Philosoph, Kulturkritiker –, doch kaum etwas davon auf ‚reguläre‘ Art, hat seine Rezeption nicht unbedingt erleichtert. So wenig wie die oft zu fraglose Eingemeindung in den Kreis um das Frankfurter Institut für Sozialforschung und damit in den Schatten seines komplizierten Freundes Theodor W. Adorno.
Nun kann es auch unter germanistischem Blickwinkel nicht darum gehen, frühere Vereinseitigungen durch neue zu ersetzen und Kracauer etwa zum hauptamtlichen Literaten umzustempeln. Sinnvoller scheint der Versuch, in Zusammenschau repräsentativer Texte und Textauszüge aus verschiedenen Gattungen und Perioden das Spezifische in seinem Weltzugang und Schreiben aufzusuchen. Die beiden Romane „Ginster“ und „Georg“ bilden dafür einen guten Ausgangspunkt, doch soll der Blick dann weiterwandern zu den Studien über „Die Angestellten“ und den „Detektiv-Roman“, zu den Essays (im Zentrum hier: „Das Ornament der Masse“) und Kritiken (u.a. gegen Buber/Rosenzweig „Die Bibel auf Deutsch“), der „Theorie des Films“ bis hin zur „Geschichte – Vor den letzten Dingen“.