[Übung: Lektüreübung zur ästhetischen Theorie: Karl Rosenkranz, Ästhetik des Häßlichen]

Sommersemester 2009

„Eine Ästhetik des Häßlichen? Und warum nicht?“ Die Nonchalance, mit der Karl Rosenkranz (1805-1879) sein gleichnamiges Werk eröffnet, verrät, wie wenig selbstverständlich es um 1853 war, dem „Negativschönen“ gesonderte Beachtung, geschweige denn eine umfassende Phänomenologie und Theorie widmen zu wollen. Galten das Schöne und das Ästhetische doch über Jahrtausende – und noch bei Rosenkranz’ Lehrer Hegel – als weitgehend identisch.
Anderthalb Jahrhunderte, zwei Weltkriege und ein paar Kunst- und Medienrevolutionen später hat sich die Perspektive umgekehrt: Das Scheußliche, Widrige, Banale, Monströse, Abgeschmackte, Grässliche, Bigotte, Ungestalte, Böse, Eklige, Gemeine, Rohe, Kitschige, Peinliche, Perverse, Brutale, Obszöne, Bornierte, Zufällige, Teuflische, Unförmige, Formlose, Kaputte, Fratzenhafte, Ausgespiene, Misstönende, Untote, Zynische, Verblasene, Zerrissene, Verwünschte, Inkohärente, Kleinliche, Niedrige, Plumpe, Schwammige, Versehrte, Abgelebte, Dräuende, Pikierte, Schrille, Missliche, Pedantische, Zerstückelte, Nervige, Verbeulte, Jämmerliche, Willkürliche, Übertriebene und Maßlose dominieren die Populär- wie die Hochkultur inzwischen derart, dass die Frage nach dem Schönen diesseits der Reklame fast so irritierend wirkt wie seinerzeit die nach dem Hässlichen. Rosenkranz‘ Pionierleistung im Wissen um ihre ungeheure, von ihm selbst so keineswegs gewollte Zukunftsträchtigkeit zu rekonstruieren, ist Gegenstand der Übung.